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Porträt von Markus Sarbach (OG St. Niklaus)

Der rastlose

Mehr als sein halbes Leben lang schon widmet Markus Sarbach einen grossen Teil seiner Freizeit jungen Menschen, die er für die Berge begeistern will. 25 Jahre sind es, um genau zu sein. Und der Posten als JO-Chef ist bei weitem nicht sein einziges Engagement in der Ortsgruppe St. Niklaus.

Mit Markus Sarbach einen Termin zu finden, ist nicht ganz einfach. Zwischen Schulstube, Gemeinderatssitzungen, Kletternachmittagen und seiner Arbeit in der Landwirtschaft ist die Zeit knapp. Wer dem Primarlehrer und Bergführer gegenüber sitzt, darf ihn dann allerdings ganz für sich beanspruchen.

Markus, den alle in St. Niklaus einfach Kusi nennen, erzählt gern. Und viel. Wenn ihm etwas besonders wichtig scheint, unterstreicht er seine Worte mit ausladenden Gesten. Und die Jugendorganisation der Ortsgruppe St. Niklaus ist ihm wichtig. Er selbst ist darin gross geworden. „Als ich in Brig das Kollegium besucht habe, war die JO der Grund, jedes Wochenende heimzukehren“, erinnert er sich. Hier reifte sein Entschluss, sich zum Bergführer ausbilden zu lassen. Hier heckte er mit Kollegen den Plan aus, den Mount McKinley in Alaska zu besteigen. Bis heute eines der grossen Abenteuer seines Lebens.

Auch auf dem Pausenplatz aktiv
Chef der JO St. Niklaus wurde Kusi Sarbach 1990 eher zufällig. Er hatte bereits Erfahrung als Sporttrainer, engagierte sich damals als Volleyballcoach. So sei ihm das JO-Amt halt zugefallen. Bald schon organisierte er jeden Mittwoch Kletternachmittage für Kinder und Jugendliche in der Turnhalle von Herbriggen. Bis heute trainiert der Lehrer einmal pro Woche mehr als 20 Nachwuchs-Bergsteiger. Ein Erfolg, der viel mit der Doppelrolle des JO-Chefs zu tun hat. „Kommt einer  mal nicht, spreche ich ihn am nächsten Tag auf dem Pausenplatz an und rede ihm ins Gewissen“, schmunzelt der 48-Jährige. Der Primarlehrer versucht immer wieder, neue Mädchen und Jungen für seine Leidenschaft zu begeistern.

Sein Beruf ist eng verbunden mit seinem Engagement für den SAC – und ein grosser Glücksfall. Dabei wollte Sarbach eigentlich nie Lehrer werden. Als Kind wurde er manchmal ausgestossen von den anderen, weil sein Bruder an der Dorfschule unterrichtete. „Da dachte ich mir, Lehrer werde ich sicher nie“. Bis sich dann halt doch herausstellte, dass ihm die Arbeit mit Kindern besser liegt als alles andere. Was er unter anderem dank seinem SAC-Engagement herausgefunden hat.

Lernen von den Bergen
Wenn Markus Sarbach über „seine“ JO spricht, spürt man seine Begeisterung und sein pädagogisches Gespür. Berge sind für ihn eine Lebensschule. Für alle, die er mitnimmt. Aber auch für sich selbst.

Als Kind war ich ein Angsthase, durfte kaum irgendwo runterschauen“, erinnert er sich. Mit zunehmender Übung habe er gemerkt, was eigentlich alles in ihm stecke. Das habe ihn verändert, ihn zu einem selbstbewussten Mann gemacht. Dass man mit Training und der Hilfe von anderen viel mehr schaffen kann, als man eigentlich glaubt, hat der Vater von zwei Kindern selbst erlebt. Diese Erfahrung zu teilen, treibt ihn an.

Kusi Sarbach interessiert sich vor allem dafür, was die Berge mit den Menschen tun. Zu vielen seiner jungen Schützlinge hat er tiefe Beziehungen aufgebaut. Die JO sei halt nicht wie ein Fussballverein: Am Seil gibt es andere Verbindungen als auf der Spielerbank.

Das zeigt sich besonders an schwierigen Tagen: Auch loslassen gehört zu den Bergen. Als im Frühling vor vier Jahren einer seiner ehemaligen JO-Jungs tödlich verunglückte, war er untröstlich. „Ich war am Boden. Und trotzdem habe ich gemerkt, dass ich noch Energie habe, um seine Familie zu unterstützen“. Ein einschneidendes Erlebnis. Die Berge sind für den Lehrer seither erst recht ein Sinnbild für das bewusste Leben. Ein Ort, an dem alles intensiver wahrgenommen wird.

Die Natur ist seine Welt, die Amtsstube weniger
Kusi Sarbach ist ein emotionaler Mensch. Aber auch ein geerdeter. Im wahrsten Sinne des Wortes. Er bewirtschaftet viel Land, hält 32 Schwarzhalsziegen und 12 schottische Hochlandrinder. Die Leidenschaft für die Landwirtschaft hat ihm sein Vater vererbt. Und er gibt sie an seinen Sohn weiter, der zusammen mit ihm zu den Tieren schaut. 

Und als wäre das nicht schon genug, gibt es noch ein weiteres Betätigungsfeld: Seit zwei Jahren mischt der Lehrer und Bergführer in der Politik mit. Er sitzt für die SVP im Gemeinderat von St. Niklaus. Motiviert hat ihn dazu unter anderem ein gescheitertes Projekt für einen Boulder-Keller. Und die jahrelange Übermacht der CVP.

Gewählt, um verkrustete Strukturen aufzubrechen, sieht er sich hier erstmals seit langem mit schier unüberwindbaren Herausforderungen konfrontiert. In der Politik funktionieren die Mechanismen anders. Freundschaften spielen keine Rolle, es geht um Macht und Kalkül. Das ist nicht seine Welt: „Ich fühle mich oft nicht wohl in dieser Rolle“. Der Mann, der viel von gemeinsamen Erlebnissen, Solidarität und Wertschätzung spricht, hat hier Grenzen gefunden, die er in den Bergen längst überwunden hat.

Aber er wäre nicht Kusi Sarbach, würde er gleich aufgeben. Er kann sich gar vorstellen, in zwei Jahren zur Wiederwahl anzutreten. Denn nichts ist schlimmer für ihn, als sich nicht zu engagieren für sein Dorf und seine Menschen. 

Darum muss er gleich wieder los: An einer Informationsveranstaltung der Gemeinde muss er den Menschen erklären, weshalb eine der Dorfschulen geschlossen werden soll. Sicher keine leichte Aufgabe für einen, der den Menschen lieber gibt als wegnimmt.

Priska Dellberg Chanton