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Porträt von Willy Thurre (OG Martinach)

Teilen als Passion

Die Berge waren nicht immer seine grosse Leidenschaft. Aber seit er ihnen verfallen ist, lassen sie ihn nicht mehr los. Alles begann an einem Wintermorgen, als Willy Thurre von Freunden auf den Gipfel des Rogneux mitgenommen wurde. Vorher hatte er noch nie Felle an seine Skier geheftet. «Es war hart und ich war nicht wirklich gut ausgerüstet», erinnert sich Willy, «aber es war wunderschön.»

Das war im Jahr 1999. Seither haben ihn die Skitouren nicht mehr losgelassen. Mit Freunden bestieg er Gipfel um Gipfel im Unterwallis. Schon im Frühling 2000, ein Jahr später, war er bereit für die grosse Strecke der Patrouille des Glaciers. Vier Mal stand er am Start dieses Rennens. Aber die erste Teilnahme ist ihm am meisten in Erinnerung geblieben: «Es war unser Ziel, wir haben uns dazu entschlossen und sind einfach gestartet.»

Skifahren, Fussballspielen und Velofahren
Man darf mit gutem Recht sagen, dass Willy den Sport kennt. Zunächst ist da das Skifahren, welches er sich auf den Pisten von Ovronnaz selbst beigebracht hat. Danach war er während drei Jahrzehnten Fussballer.

Seine grosse Leidenschaft war jedoch das Velofahren:  Er hätte sogar die Welt umfahren, um seiner Passion zu frönen. In Südamerika, in Namibia, in Mali und sogar in Saudi Arabien haben er und seine Freunde einige unbekannte Strecken entdeckt. Auch Wettkämpfe gehörten für den ambitionierten Sportler immer dazu.

Heute, mit 56 Jahren, absolviert der aus Saillon stammende und in Fully wohnhafte Willy keine Rennen mehr. Aber die Berge gehören nach wie vor zu seinem Leben: Mindestens einmal pro Woche ist er unterwegs. In der SAC-Ortsgruppe von Martinach engagiert er sich inzwischen als aktiver Tourenleiter. Er wird dort sehr geschätzt für seine gut organisierten Ausflüge. 2008 liess er sich zum Tourenleiter ausbilden, eine zweite Ausbildung im 2012 hat ihn darin bestärkt, anderen in den Bergen voranzugehen.

Bedarf an Kontakten
«Wenn mir etwas gefällt, dann hänge ich mich rein, ohne mir viele Fragen zu stellen.» Diesem Prinzip ist er sein Leben lang treu geblieben. Bereits während seiner Ausbildung zum Automechaniker hat ihn sein Lehrmeister die Arbeit oft selbst organisieren lassen. «Danach war ich 28 Jahre lang Werkstattchef in einer Garage. Ich hatte keine andere Wahl, als jeweils Lösungen für die anstehenden Probleme zu finden. Es musste immer vorwärts gehen», erklärt Willy Thurre. 2007 hat er sich dennoch entschieden, loszulassen. «Es gab viele Veränderungen in meinem Metier. Ich war oft gestresst und hatte keine Zeit mehr, um mich mit den Kunden zu unterhalten.» Er übernimmt die technische Verantwortung von zwei Altersheimen der öffentlichen «Fondation des Fleurs du Temps».

Für ihn hat sich der Wechsel bewährt. «Als Werkstattchef fehlten mir die Kontakte. Jetzt stehe ich im stetigen Austausch mit anderen. Fast so, wie wenn ich mit meinen Freunden in den Bergen unterwegs bin.»

Für Willy Thurre hat der Kontakt zu Menschen einen fast schon therapeutischen Effekt.  «Ich habe mich komplett verändert und habe viel an Lebensqualität gewonnen.»

Ein Lächeln schenken
Im SAC hat er sich vorgenommen, schöne Momente mit seinen Begleitern zu teilen. «Ich liebe es, den Menschen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern und ein Dankeschön zu hören.» Willy ist nicht getrieben von der Suche nach Anerkennung. Sondern davon, anderen eine Freude zu machen.

Deshalb hat er sich auch an Skitourenwettkämpfen wie beim Alpiniski in Les Marécottes oder zuletzt an der Ovronnalp’ski engagiert. «Wenn ich die zufriedenen Teilnehmer sehe oder die Mitteilungen lese, die ich anschliessend erhalte, weiss ich, dass mein Einsatz geschätzt wird. Das macht wirklich Spass», freut sich Willy. Ähnlich ergeht es ihm, wenn er sich für die Ortsgruppe Martinach und für die Bergausbildung von Jugendlichen engagiert.

Dass er gerne hilft, zeigt sich auch an seinem Engagement für die regionale Rettungskolonne.  Dort macht er seit  sieben Jahren mit. Seit drei Jahren ist er stellvertretender Leiter. «Man hat mich angefragt mitzumachen - und wie so oft habe ich ja gesagt. Wir sind eine super Gruppe, aber wir haben auch schon schwere Momente erlebt, etwa die Einsätze bei zwei Lawinenunfällen.»

Es sind auch solche Erfahrungen, welche ihn als vorsichtigen Tourenleiter auszeichnen. «Ich versuche jeweils die mir unbekannten Orte vor einer Tour zu erkunden. Zudem zögere ich nicht, eine Bergtour abzubrechen, wenn etwas nicht wie geplant funktioniert.»

Autorität und Einfühlungsvermögen
Unfälle zu verhindern, dass ist für ihn das wichtigste. Dafür brauche es manchmal Autorität, sagt Willy Thurre. Es geht ihm aber auch darum, möglichst gut auf die Wünsche seiner Gruppe einzugehen. «Die Leute sollen einen schönen Tag erleben. Ich nehme Rücksicht auf alle. Denn: Einmal oben angekommen, hat oftmals derjenige mit den grössten Schwierigkeiten schlussendlich die grösste Freude.» Die früheren Wettkämpfe fehlen ihm nicht. «Mit einer Gruppe erlebst du ganz andere Dinge», ergänzt er.

Die Zukunftsprojekte fehlen nicht und seine Motivation ist weiterhin intakt. «Solange die Gesundheit mitmacht, gibt es keinen Grund, als Tourenleiter aufzuhören.»

Ein Projekt sticht jedoch hervor: Ein Ski-Abenteuer in Grönland – 2016, wenn alles klappt. Davor möchte er gerne mit seinen zwei Kindern mehr Zeit in den Bergen verbringen. Dafür muss er gar nicht weit reisen: Denn als stolzer Unterwalliser zieht es ihn immer wieder zu den Gipfeln des Grand Combin. Dort hat er seine schönsten Berg-Momente erlebt.

Julien Wicky (übersetzt durch Philippe Chanton)