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Porträt von Peter Rudin (OG Visp)

Der Vielseitige "Üsserschwizer"

Peter Rudin ist gebürtiger Baselbieter. Von Bergen wollte er lange nichts wissen, obwohl er schon seit über zwei Jahrzehnten im Wallis lebt. Das hat sich nun gründlich geändert. Aber: Obwohl er dem Bergsteigen einen grossen Teil seiner Freizeit widmet, bleibt genug Zeit für seinen Weinkeller und den Kirchenchor.

Peter Rudin ist einer, der sich nie so recht festlegen wollte. Als Kind gehörte seine ganze Freizeit der Musik. Er spielte Trompete, seine musikalischen Eltern wollten das so. Sobald er selbst entscheiden konnte, machte er zwar weiter mit der Musik - investierte aber auch viel Zeit in den Sport.

Er bestritt Leichtathletik-Wettkämpfe und wurde später Nachwuchschef beim EHC Saastal, dem Hockeyclub seiner beiden Söhne. Seine Tochter begleitete er an Skirennen und nebenbei spielte er in der Oberwalliser Brassband. "Manchmal habe ich unter meiner Vielseitigkeit gelitten", sinniert der 51-Jährige auf der Terrasse seines Hauses in Zeneggen. Bei der Aussicht auf die Mischabelkette scheint es wenig verwunderlich, dass er früher oder später auch den Bergsport für sich entdeckt hat. 

Viele Bergtouren und noch mehr Training
Letztes Wochenende stand der Ingenieur, der im Tiefbau tätig ist, mit zwei Kollegen vom SAC Visp auf dem Gipfel des Doms. Dass er es bis dort geschafft hat, ist das Resultat einer minutiösen Vorbereitung. "Ich mache 120 000 Höhenmeter pro Jahr zu Fuss oder auf dem Bike, 10 000 im Schnitt jeden Monat", sagt Peter Rudin nicht ohne Stolz und zeigt auf die grosse Suntoo an seinem Handgelenk. Jeder Meter ist auf dieser Uhr registriert, sein beeindruckendes Trainingspensum kann er auch in einer Excel-Datei auf seinem Laptop abrufen. Er sei halt ein "strukturierter Mensch, ganz Ingenieur".

Er fährt oft Mountainbike, im Winter trainiert er mit den Tourenskis auf der Moosalp. Und auch die Postautochauffeure kennen ihn bestens. Peter Rudin, der oft von zuhause aus arbeitet, fährt in vielen Mittagspausen mit dem Car nach Visp. Nur, um dann wieder so schnell wie möglich nach Zeneggen hochzulaufen. Wobei: Der Schnellste sei er nicht, gesteht er. "Die Bestzeit liegt bei astronomischen 35 Minuten, habe ich mir sagen lassen. Das werde ich wohl nie schaffen..." Zu bedauern scheint er das nicht. Seine Wettkampfzeit sei vorbei, sagt der 51-Jährige. Ihm geht es einzig darum, nicht "hinten nachzuhecheln bei den Touren", wie er sich ausdrückt.

Zeit für anderes muss sein
Wer nun aber denkt, er sei ein verbissener Sportler, irrt. Was sich schon nur daran zeigt, dass er während dem Interview genüsslich zwei Stücke Engandiner Nusstorte verspeist. Der Wahlwalliser scheint also auch ein Genussmensch zu sein. Angesprochen auf seinen Weinkeller gerät er richtig ins Schwärmen. "Ich liebe italienischen Rotwein, mein Keller ist voll davon." Am Liebsten kocht er mit seiner Frau gemeinsam am Wochenende einen Mehrgänger und trinkt dabei einen feinen Tropfen aus seiner Sammlung, die mehrere hundert Flaschen umfasst. Das er vor den ausgedehnten Abendessen jeweils nach einem genauen Plan einkauft, versteht sich von selbst. Einer wie er geht auch in der Küche nicht planlos vor.

Genauigkeit ist auch bei seinem Posten im Kirchenchor von Zeneggen gefragt. Dort singt er nämlich nicht nur: "Als Reformierter habe ich es im katholischen Kirchenchor immerhin bis zum Kassier gebracht", lacht Peter Rudin.

Das er dort im Vorstand ist - genauso wie im SAC Visp - ist indes kein Zufall. Seit er 15 Jahre alt ist, hat sich der Basler immer in Vorständen von verschiedenen Sport- und Musikvereinen engagiert. Präsident war er noch nie. Aber das sei ganz gut so: "Ich bin eine klassische Nummer zwei." Peter Rudin trägt gern Verantwortung. Aber er schätzt es, wenn er sie teilen kann. Im Beruf genauso wie im Privatleben. Vielleicht geht er auch deshalb auf Touren nie voraus. Er ist der Meinung, jeder solle in einem Verein machen, was er am besten könne. Er sei nun mal "kein Spitzenbergsteiger" und deshalb besser Vorstandsmitglied als Tourenleiter.

Irgendwie typisch für den SAC Visp
Das Peter Rudin, der in einem Dorf im Kanton Baselland aufgewachsen ist und nun seit 21 Jahren im Wallis lebt, ausgerechnet dem SAC Visp angehört, ist ein Zufall. Aber er passt dort gut hinein. "Urwalliser finden sich bei uns nicht so viele", schmunzelt der 51-Jährige. In der Tat: Wohl kaum eine Ortsgruppe ist so international wie jene von Visp. Im Städtchen leben viele Zugezogene, etwa Mitarbeiter der Lonza oder des Spitals. Das spiegelt sich auch im Vorstand des Alpenclubs: Unter anderem engagieren sich dort Holländerinnen, Deutsche und eben "Üsserschwizer". Die meisten seien aber wie er "Walliser im Herzen", glaubt Peter Rundin.

Vor allem sind es alle passionierte Bergsteiger - seit kurzem oder seit langem. Dieser Mix sagt dem Ingenieur zu. Er könne sehr viel lernen von den erfahrenen Tourenleitern, findet er. Der SAC würde es auch einem Mann wie ihm, der den Bergsport erst spät für sich entdeckte, ermöglichen, die Schönheit der Natur zu erleben. Ohne dabei die Gefahren aus den Augen zu verlieren. Er will sich denn auch schon schon bald an die nächste Tour wagen: Das Fusshorn soll es sein. Er freut sich auf den Gipfel - und auf den Hüttenabend. "Wenn wir abends zusammensitzen und bei einem Glas Wein philosophieren, dann ist das ein richtiges Geschenk", schwärmt Peter Rudin.

Das ihm nicht nur der sportliche Erfolg, sondern auch das Zwischenmenschliche so wichtig ist, passt gut zu diesem vielseitigen Menschen.

Priska Dellberg Chanton